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Careship Magazin > >>>Podcast hören<<<
Sie sind das musikalische Herz von Careship: Schlagerstar Cindy Berger und Entertainer Norbert Wohlan. Als Careship-Alltagshilfen haben sie sich kennengelernt, seitdem machen sie gemeinsam Musik für Hilfebedürftige. Wir treffen sie zum Interview, um herauszufinden, was sie – trotz Ruhm und Rampenlicht – zur Alltagshilfe gebracht hat.
Schlagerstar Cindy Berger im großen Careship-Interview: “Hier ist jemand, der da ist, wenn ich ihn brauche.”
Careship: Wie kam es zur Entscheidung, Alltagshilfe zu werden?
Cindy Berger: Nachdem meine Mutter verstorben ist, bin ich nach Berlin. Ich hatte sie lange gepflegt und sie fehlte mir sehr – aber auch die Aufgabe fehlte, etwas Sinnvolles zu tun. Der Tag hat 24 Stunden und ich brauche jetzt nicht so furchtbar viel Schlaf. Sagen wir mal sechs, sieben Stunden – da kann ich doch ein paar Stunden für andere Menschen da sein.
Im Internet bin ich auf Careship gestoßen, rief da an und wurde sehr freundlich zu einem Termin gebeten. Das waren alles junge Leute, die da an ihren Telefonen saßen. Ich habe sofort gemerkt, mit welchem Engagement sie bei der Sache waren. Das hat mir Mut gemacht.
Careship: Du warst ja wirklich ein Superstar. Jetzt begleitest du Hilfebedürftige, völlig ohne Eitelkeit. Ist das etwas, was man einfach charakterlich mitbringt?
Cindy Berger: Ich wüsste nicht, warum wir jetzt plötzlich eitel sein sollen, oder? Das war doch mal unser Beruf. Dass wir Erfolg hatten und beliebt waren, das ist ja ein Geschenk. Das kann man nicht erwarten. Und wir waren dankbar dafür. Wir hatten einen wunderbaren Beruf, durch den wir auch die Welt und viele Menschen kennengelernt haben. Und ja, was Besseres kann man sich nicht vorstellen, aber deswegen sich jetzt was einbilden? Ich weiß noch, Bert [Norbert Berger (1946-2012) , Musikpartner bei “Cindy und Bert” (“Immer wieder Sonntags”) und Ehemann von Cindy. Anm. der Redaktion] mochte nie das Wort Star. Wenn jemand gesagt hat, Ihr seid Stars, dann hat er immer gesagt: Für mich sind das nur Vögel. Man kann auch alleine singen, im Wald oder unter der Dusche – aber es ist ja die Symbiose: das Publikum und wir. Warum soll ich mir dann was einbilden, wenn ich zufällig den Geschmack dieser Menschen treffe oder auch mal ihr Herz?
Careship: Wieso ist es dir wichtig, gerade als Alltagshilfe aktiv zu werden?
Cindy Berger: Ältere Menschen geraten in der heutigen Zeit oft in den Hintergrund. Die sind ja nicht so bequem. Entweder sie können nicht so schnell laufen wie man kann, oder sie kommen kopfmäßig nicht mit. Aber bei allem, was diese Menschen hinter sich haben, was sie geleistet haben im Leben: da sollte man den nötigen Respekt davor haben. Die Menschen sollen durch meine Alltagshilfe das Gefühl wieder bekommen: “Hier ist jemand, der da ist, wenn ich ihn brauche.” Ich sage den Leuten immer: “Rufen Sie mich an, wenn irgendwas ist. Wenn ich selbst nicht kommen kann, dann gucke ich, dass ich jemanden finde. Aber Sie sind nicht alleine!”
Careship: Was kann man gegen diese Einsamkeit tun?
Cindy Berger: Wenn ich weiß, der Mensch hat Geburtstag und es kommt niemand, dann gehe ich mit einem Stückchen Kuchen vorbei und sage: Jetzt machen wir mal Geburtstag, wir machen mal eine Kerze an. Das ist dann meine Privatsache und ja, das sind so Dinge, die mir auch selbst ganz viel geben. Denn es ist nichts schlimmer, als wenn man nicht gebraucht wird.
Careship: Gibt es Begegnungen, die dich zu neuen Erkenntnissen führen?
Cindy Berger: Da gibt es eine Frau, die über 90 ist. Eine sehr starke Frau, die immer noch Minirock und Strumpfhosen drunter trägt. Mit der war ich viel unterwegs. Sie ging gerne ins Café und dann schön einkaufen auf dem Markt. Irgendwann ist sie gestürzt – jetzt sitzt sie im Rollstuhl. Ich habe gemerkt, dass die Frau panische Angst davor bekam, dass es ihr zukünftig noch schlechter gehen würde und sie irgendwann nicht mehr das Haus verlassen könnte. Sie sagte mir, wenn sie nicht mehr in der Lage sei, am Leben teilzunehmen, wolle sie nicht mehr leben. Und da habe ich ihr geholfen.
Careship: Wie kann man dieser allzu verständlichen Angst begegnen?
Cindy Berger: Es gibt eine Gesellschaft für humanes Sterben, die ich der Frau vorgeschlagen habe, und da hat sie sich auch angeschlossen. Seitdem hat sie wieder eine ganz andere Ruhe. Sie konnte bei der Sterbegesellschaft ihre Wünsche äußern, eine Patientenverfügung machen und professionelle Auskunft zur Sterbehilfe bekommen. Sie hat alles mit ihrer Familie besprochen. Das ist wichtig, damit die Menschen wieder an Anderes denken können. Ich glaube, diese Angst, die sie erlebt hat, die haben wir alle. Auch jungen Menschen kann es passieren, dass plötzlich z. B. ein Schlaganfall passiert. Deswegen sollte jeder früh genug eine Patientenverfügung mit der Familie und geliebten Menschen besprechen. Am besten ist ja, man braucht es nicht, aber wenn man es dann braucht, dann hat man es.
Careship: Was bewegt dich nach über acht Jahren als Alltagshilfe dazu, weiterhin durch Careship Hilfebedürftige zu begleiten?
Cindy Berger: Es ist dieses Spiel, andere Menschen auf sich zukommen zu lassen und selbst auf andere Menschen zuzugehen – aber nicht oberflächlich, sondern immer mal zu gucken, warum sind sie so, wie sie sind? Es ist die Gemeinsamkeit.
Careship: Ihr kennt die großen Bühnen, aber singt nun schon seit einigen Jahren gemeinsam im kleinen Rahmen für Seniorinnen und Senioren. Wieso sind euch diese Auftritte so wichtig?
Norbert Wohlan: Durch die kleine Bühne sind die Leute wirklich ganz nah bei uns dran. Sie können Fragen stellen, gemeinsam unsere Lieder singen und uns auch umarmen. Gerade von den Schlagern der 60er, 70er fühlen sich die Leute angesprochen. Selbst bei Menschen mit Demenz erreicht die Musik ganz viel. Plötzlich sind sie wirklich mittendrin und man denkt “Wow”.
Cindy Berger: Wir haben schon öfter erlebt, dass Menschen mit dem Rollstuhl in den Saal gefahren werden und völlig apathisch sind. Man denkt: “Die werden davon nichts haben, die wissen gar nicht, was hier läuft.” Plötzlich stellen wir fest, die bewegen ja die Lippen, die wachen ja auf und werden ganz munter. Man merkt ein gewisses Lächeln auf dem Gesicht, bei manchen sogar, dass sie die Texte mitsingen können.
Careship: Was macht so einen Auftritt von Cindy Berger & Norbi besonders?
Norbert Wohlan: Mit unserem “Kaffeeklatsch” treten wir in Freizeitstätten und Pflegeeinrichtungen auf. Das Konzept ist natürlich in Verbindung mit Careship entstanden: Wir quatschen oder talken über die Zeit der 70er, singen die Schlager von Cindy und Bert, unsere Solotitel und natürlich die neuen gemeinsamen Lieder. Es gibt auch ein interaktives Programm, wo wir mal eine Polonaise machen oder den Rollator benutzen. Es ist toll, wenn die Leute sich bewegt fühlen mitzumachen. Da ist absolute Lebensfreude.
Careship: Welche Erlebnisse haben euch bei euren bisherigen Auftritten besonders berührt?
Norbert Wohlan: Vor zwei, drei Jahren hatte ich ein Herbstfest, während dem Singen kam eine ältere Dame mit ihrem Rollator auf mich und flüsterte mir ins Ohr: “Norbi, küss mich Jung.” Ich drückte ihr einen Kuss auf die Wange, dann lachte sie herzhaft und beim Lachen fiel ihr die Prothese aus dem Mund. Oh Gott, dann haben natürlich alle schallend gelacht. Auch sie hat es ganz locker weggesteckt und steckte ihre Prothese einfach wieder zurück. Da habe ich gesagt “ist gar kein Problem, zum Küssen braucht man keine Zähne.” Der darauffolgende Lacheffekt, der hat lange angehalten. Selbst als ich ein Jahr später wieder da war, hat man mich noch öfter auf diesen Nachmittag angesprochen, weil das einfach eine ganz, ganz tolle Geschichte ist, auch im Alter darüber zu lachen.
Careship: Gibt es viele solche Geschichten?
Norbert Wohlan: Na klar! Bei einer Faschingsveranstaltung kamen alle kostümiert, auch ein älterer Herr. Der war 98 oder 97 und hatte einen Hut in Form eines Brathähnchens, bei dem die beiden Geflügelteile oben raus guckten. Der kam direkt auf mich zu: “Ich bin Willi” sagt er. Ich sage angenehm, “Ja, du machst ja heute Musik. Na dann fangen wir an!” Ich sage: “Moment, es gibt erst mal Kaffee und Kuchen.” In diesem Augenblick geht die Tür auf, eine ältere Dame kommt rein, die har den gleichen Hut auf. Ich sage “Guck mal, da hinten kommt eine zweite Brathälfte.” Er steht auf, guckt durch den ganzen Saal und schreit ganz laut “Da hinten?” Ich sage ja. “na, die ist mir viel zu alt” schreit er und alle Leute drumherum können nicht anders als loszuprusten.. So ironisch, einfach liebenswert! Da merkt man, Alter ist einfach nur eine Zahl. Man kann auch mit 98 noch fit sein.
? Auf dieser Seite findet ihr die Auftritte von Cindy & Norbi sowie weitere Musikvideos, neuste Hits und Infos ?
https://www.norbi-schlager.de/
Careship: Wie geht es euch denn mit den ganz alltäglichen Aspekten der Alltagshilfe?
Cindy Berger: Ich kenne viele Menschen und kann Menschen auch gut einordnen, deswegen ist für mich die alltägliche Hilfeleistung überhaupt kein Problem. Man darf es sich nicht als unangenehme Arbeit oder unangenehme Beschäftigung vorstellen: ganz im Gegenteil. Manchmal habe ich sogar den Verdacht, dass Leute, die ich betreue, bevor ich komme, noch schnell das Badezimmer sauber machen und rasch aufräumen. Es ist immer so ordentlich ist. Also ich habe jetzt wirklich schon viele erlebt, aber noch niemanden, wo ich gesagt hätte “mein Gott, das müsste doch jetzt nicht sein.”
Norbert Wohlan: Wenn man selber so engagiert ist, dann beschäftigt man sich auch wirklich viel mehr mit dem Thema Älterwerden. Ich hatte meine Gerda, die ich viele Jahre betreut habe. Die habe ich also wirklich begleitet bis zum Tod und da geht man ganz anders an das Thema ran. Ich könnte mir heute sogar vorstellen, Sterbebegleitung zu machen. Das ist auch ein Teil des Lebens, man weiß nie, wann es einen selbst trifft. Als Alltagshilfe kann man auch Leben retten. Das habe ich vor zwei Jahren erlebt: da lag ein älterer Herr, den ich betreut hatte, zu Hause im Keller: sechs Stunden ohne Heizung. Völlig leblos lag er dort, bis sein Bekannter mich anrief und erzählte, dass er diesen Herrn nicht mehr telefonisch erreichte. “Ob ich mal hinfahren kann?” fragte er, weil er selbst nicht in Berlin war. Ich habe den älteren Herrn dann unten gefunden: er war völlig unterkühlt und überhaupt nicht mehr ansprechbar – Gott sei Dank hatte ich den Hausschlüssel. Das ist eine absolute Vertrauenssache, doch so konnte ich sein Leben retten, er hätte vielleicht noch zehn Stunden dort gelegen. Diese Vertrauensbasis hat man nicht am Anfang, aber die ist ganz wichtig. Über die Jahre hat man sich dann diese Vertrautheit erarbeitet und das ist ja eine schöne Sache.